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Freitag, 11. November 2011, 11:48

Das Scheißleben meines Vaters, das Scheißleben meiner Mutter und meine eigene Scheißjugend - von Andreas Altmann

Andreas Altmanns ist Reporter und Reisebuchautor. Das Buch handelt von der Abrechnung mit seiner Kindheit und Jugend. A.A.'s Vater kam vom Russland-Feldzug zurück, vom Krieg verroht, zerfressen, als psychisches Wrack. Zurück in den bayrischen Wallfahrtsort Altötting, wo die Altmanns seit Generationen als Großhändler für Devotionalien (der Autor spricht geringschätzig vom "Rosenkranzhändler") tätig waren. Altmann schreibt eindringlich und intensiv, wie die Familie vom Vater terrorisiert wurde, von physischer und vor allem psychischer Gewalt, die darin gipfelte, dass er Altmanns Mutter aus dem Haus warf. Aber auch das Umfeld im erzkatholischen Altötting kriegt sein Fett ab. Lehrer, Pfarrer, alle. Rundumschlag.

Hier eine kleine Leseprobe, A.A. zählt die Defizite der Beziehung seiner Eltern auf:

Eisern liefen sie durch Landschaften der Freudlosigkeit. In den elf Jahren habe ich sie nicht einmal beim Schmusen überrascht. Ihre Bilanz war ein desaströser Offenbarungseid: nie geheimnisvoll getuschelt, nie mit den Fingerspitzen die Wangen des anderen berührt, nie sich ausgelacht, nie sich angelacht, nie einen Veitstanz der Freude hingelegt, nie wild und süchtig den anderen am Hintern gefasst, nie gierig gegurrt, nie zugezwinkert, .................., nie in höchsten Tönen das Lied der Begeisterung gesungen, nie dem anderen sein Glück vermacht, nie getröstet, nie einander beschützt, nie stark wie zwei, nie stark wie Liebe, nie.

Stark gekürzt, die Aufzählung geht über eine ganze Seite. Nachzulesen auf der Homepage des Autors, als eine von 29 (!) Leseproben.

Das Buch beschreibt auch die Jugendjahre des Autors, die Flucht aus dem Elternhaus, seine Irrwege, sein vielfaches Scheitern, sein Suchen nach Sinn, nach einem Platz im Leben und endet mit seinen ersten Schreiberfolgen. A.A. ist angekommen in der Welt, hat seine Berufung gefunden. Das Reisen und Schreiben.

Die Geschichten hat er lange mit sich herumgetragen, mit der Veröffentlichung jedoch zugewartet, "damit's kein Tränensackbrevier wird".

Das Buch wird als Roman geführt. A.A. verneint jedoch, ein Romancier zu sein. "Es wäre schön, wenn ich zu Hause sitzen könnte und die Geschichten kommen zu mir. Nur leider kommen Sie nie. Ich bin Reporter, muss zu den Menschen gehen. So wie in diesem Fall zu mir selbst." Vor Drucklegung musste A.A. dem Verlag bezeugen, ja sogar beweisen, dass alles wahr ist. Denn eine einstweilige Verfügung ist teuer und aufwändig.



Kritiken:

FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG:

Es ist ein Buch gegen Krieg, gegen Katholizismus, überhaupt Religion, gegen kleinstädtische Borniertheit, Bigotterie, Heuchelei, Feigheit, Verdruckstheit, Provinzmief, Kleinherzigkeit, Stumpfsinn, Gewalt. ( … ) Etwas Besseres lässt sich aus einer Scheißkindheit kaum machen.

DEUTSCHLANDRADIO KULTUR:

Ein Mahnmal gegen die Lieblosigkeit. Ein gutes Buch übers Schlechte. Und darüber, wie einer gerade noch davonkam.


Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG hingegen bedient ihr Publikum perfekt und sieht "ein Pamphlet von tsunamihafter Blindwütigkeit". Noch ein Grund mehr, das Buch zu lesen.

2

Freitag, 11. November 2011, 12:04

Nachdem ich von ihm" Triffst du Buddha töte ihn" gekauft und fast bis zur Hälfte gelesen habe und begeistert bin, habe ich mir dieses Buch in der Bücherei vormerken lassen. Es war ausgeliehen, als ich es mir holen wollte.
Ehrlichkeit verlangt nicht, dass man alles sagt, was man denkt.
Ehrlichkeit verlangt nur, dass man nichts sagt, was man nicht auch denkt.

Helmut Schmidt

fernweh

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3

Freitag, 11. November 2011, 21:19

Zitat Altmann: "Ich will die Leute anspornen, dass sie nicht gehorchen. Gehorchen ist die Ursünde."
Das ist eine Zielsetzung, die mir entgegen kommt. Habe das Buch verschlungen... Heiter ist es dank der Thematik nicht, aber toll !

4

Samstag, 12. November 2011, 13:57

Ab und zu ungehorsam sein, etwas nicht nur deshalb zu unterlassen, weil es verboten ist oder nur deshalb zu tun, weil es einem angeschafft wird, oder - noch schlimmer - weil's die anderen auch machen, kann richtig gut tun.

5

Freitag, 18. November 2011, 19:07

Fange das Buch heute an.
Ehrlichkeit verlangt nicht, dass man alles sagt, was man denkt.
Ehrlichkeit verlangt nur, dass man nichts sagt, was man nicht auch denkt.

Helmut Schmidt

6

Freitag, 18. November 2011, 20:16

Schon wieder eins, was sich wohl lohnt zu kaufen.

7

Freitag, 2. Dezember 2011, 07:33

Ein toller Schriftsteller.

Oft habe ich mich gefragt was das Buch bei jungen Leuten auslösen kann, ich hoffe ganz viel. Aber vielleicht klingt manches für sie unglaubwürdig.

Werde es am Wochenende mal einer jungen Frau geben.

Das Buch hat mich gepackt und von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt.

Ja so wars damals. Vater, Pfarrer, Lehrer wurden als unfehlbar angesehen und über alles wurde ein Mantel gedeckt.

Wenn man wagte was von " Denen" in frage zu stellen war die Umgebung schockiert.

Pfarrer die jahrelang missbraucht hatten wurden mit Heiligenschein beerdigt.
Was die Kirche oder egal wie soll man es nennen, die Bärtigen haben ja keine Kirche, sondern Moschee, an und ausrichten kann sieht man ja auch heute noch.

Oder so gennannte Freikirchen oder was auch immer.

Ist doch logisch, wenn alles was mir Sex zu tun hat verboten ist außer in der Ehe, dass was passiert. Genauso wenn erzählt wird das Selbstbefriedigung Sünde sei.

Wie soll ein junger Mensch damit umgehen.


Ich kann das Buch sehr empfehlen.
Ehrlichkeit verlangt nicht, dass man alles sagt, was man denkt.
Ehrlichkeit verlangt nur, dass man nichts sagt, was man nicht auch denkt.

Helmut Schmidt